Liebe Polizei!

Da gibt es einen berühmten Gesangbuchvers aus dem noch berühmteren Choral ,,Lobe den Herren, den mächtigen König...". In meiner Kindheit ist dieser berühmte Vers der „Polizei-Vers" gewesen und ging so: In wieviel Not/ hat nicht der Hans-Hermann Knoth/ über mir Flügel gebreitet.“ (Im Original nicht Herr Knoth, sondern der liebe Gott). Wer so sang, war mein geistlicher Großvater und er sang es unbefangen und ungestraft als Loblied auf den Polizisten Knoth, der im dritten Reich vor dem Pfarrhaus freiwillig und auch außer Dienst in gewissen Nächten, in denen das Reich was gegen Kirche hatte, patroullierte. Um eingeschlagene Fenster oder sonstige Randale zu verhindern. Ich habe also früh folgende Gleichung gelernt: Polizei dein Freund und Helfer = Hans-Hermann Knoth = mächtiger Herre = engelsgleiche Wesen, die immer da sind und helfen. Und tatsächlich, wurde ich hilfsbereit und straffrei herausgelotst, weil die engelhaften Wesen Mitgefühl mit mir hatten, dessen Nummernschild UE aus jenem Landkreis stammte, welcher auf verständliche Weltferne schließen ließ. Doch jetzt hat sich mein Bild von der lieben Polizei jäh getrübt. Da erzählt mir einer unserer Ärzte von seiner jüngsten Erfahrung- mit meiner lieben Polizei! Der Arzt fuhr von Lüneburg zurück nach Uelzen und er fuhr wie viele Uelzener - Über die schnellere Strecke über Ebstorf. Eine zu schnelle Strecke, ich weiß. Gleich hinter Lüneburg klemmte sich Polizei hinter denArzt, weil der statt 100 auf dieser verführerischen Strecke 119 fuhr. Das Problem: Der Arzt begriff seine Übertretung aber nicht, weil die Polizei in einer Zivilstreife hinter ihm fuhr und filmte. Statt jedoch den Uelzener anzulasten, führ der Polizeiwagen weiter hinter dem Wagen her, sage und schreibe 16 km weit. Bis nach Ebstorf hinein. Die ganze Strecke ,,klebte" die Zivilstreife Wange an Wange bzw. (Stoß-)Stange an Stange hinter dem Wagen des Schnellfahrers. In Ebstorf dann hielten sie ihn an, den Fahrer, und einen Film vor. Der Film bewies, dass unser Mann noch weitere vier Male schneller gefahren war als erlaubt. Fünf Mal insgesamt. Das, was mir das Bild von der lieben Polizei trübt, ist nicht, dass wir bei überhöhter Geschwindigkeit Bußgeld zahlen oder gar den Lappen abgeben müssen. Erziehung bzw. Strafe gehört zu liebenden Eltern und Polizisten. Ich zahlte auch schon viel und einsichtig ohne Sympathieverlust der Polizei gegenüber. Aber Verfolgung? 16 km lang, alle Kurven, durch die Dörfer, ganz dicht hinter mir? Ich hätte das entwickelt, was zum Reflexrepertoire jedes Menschen gehört: Bei Verfolgung hinter mir nach vorn noch schneller zu werden als ohnehin schon. Es nützte dem Arzt auch nicht, dass er Arzt war. Das ist wieder recht und gerecht. Er schließlich nicht im Einsatz, Aber vier der fünf Geschwindigkeitsüberschreitungen hat die Polizei - finde ich - mit verantwortet. Um mit dem lieben Gott zuschließen: Es waren Lüneburger Beamte. Keine von den Unsrigen.

6. Mai 2003